"Ich hoffe und wünsche mir, dass die Vielfalt erhalten bleibt, was bedeutet, dass die Mieteverdrängung gestoppt werden muss".
Oliver Strank ist in Frankfurt geboren und aufgewachsen, damit ein echter „Frankfurter Bub“. Nach seinem Jura-Studium in Frankfurt, Hamburg und Cambridge sowie seiner Promotion in Oxford, ist er 2008 nach Frankfurt zurückgekehrt. Im selben Jahr ist er auch der SPD beigetreten und ist seitdem neben seiner Tätigkeit als Anwalt politisch aktiv. Seit 2011 auch kommunalpolitisch als Mandatsträger für den Ortsbezirk eins in Frankfurt, welcher als einer von insgesamt 16 Ortsbezirken die Stadtteile Gallus, Gutleutviertel, die Innenstadt, die Altstadt sowie das Bahnhofsviertel umfasst.
Seit 2016 ist Strank ebenfalls Ortsvorsteher, auch für das Frankfurter Bahnhofsviertel. Ich wollte mehr über seine Aufgaben im Amt erfahren und wissen, wie viele Sorgen ihm das polarisierende Viertel macht.
Was sind Ihre Aufgaben als Ortsbeirat und Ortsvorsteher?
Zum einem ist es die Repräsentation. Ich fungiere als Ansprechpartner für alle Bürger im Ortsbezirk eins, also auch im Bahnhofsviertel. In formeller Hinsicht kann ich zusammen mit dem Gremium inhaltliche und formelle Beschlüsse verfassen, welche als Anregung an den Magistrat oder die Stadtverordnetenversammlung gehen.
Es gibt aber auch bestimmte Themen, die vom Ortsbeirat autonom entschieden werden können. Dafür gibt es auch ein festgelegtes Ortsbeiratsbudget.
Wie viel direkten Kontakt haben Sie dabei mit den Bürgern im Bahnhofsviertel?
Sehr viel. Ich habe mein Ortsvorsteherbüro mitten im Bahnhofsviertel, in der Kaiserstraße, dort bin ich recht gut erreichbar. Es gibt viele Anwohner und Gewerbetreibende, die an mich herantreten, manchmal mit Beschwerden, aber oft auch mit konstruktiven Ideen.
Für wie wichtig halten Sie den direkten Umgang mit den Menschen vor Ort?
Ich halte den direkten Umgang für unverzichtbar, um einen unverfälschten und unmittelbaren Eindruck zu erhalten. Natürlich muss man dabei aber auch berücksichtigen, dass sich oft die besonders Engagierten mit Beschwerden oder Anregungen melden – man muss aber immer die Gesamtschau im Blick behalten, um ein rundes Bild zu erhalten.
Wie viele Sorgen bereitet Ihnen das Bahnhofsviertel in Ihrem Amt? Problemstadtteil oder Szeneviertel?
Beides. Die ganze Drogenproblematik ist natürlich eine große Herausforderung, die sich nie ganz lösen lassen wird. Es geht eher darum, sie einzudämmen und mit ihr umzugehen. Frankfurt ist zu einem internationalen Umschlagplatz für Crack, aber auch Mischformen geworden und das ist auch seit einiger Zeit im Stadtbild immer sichtbarer. Es gibt im Bahnhofsviertel einfach Cracksüchtige die dort herumirren und zumindest auch subjektiv aggressiv wirken. Es gibt aber auch andere Seiten im Bahnhofsviertel. Es ist ein verrücktes Viertel,in dem es nichts gibt, was es nicht gibt – wie auch der Name des berühmten Kiosks „Yok Yok“ aussagt.
Es ist ein Viertel, in dem viel Bewegung in jeglicher Hinsicht herrscht, es zieht viele Kreative und Gewerbetreibende an. Ebenso viele Menschen mit Hoffnung und Ideen, aber eben auch Diejenigen, die verzweifelt sind.
Wie kann man erklären, dass die Drogenproblematik ausgerechnet im Bahnhofsviertel so sichtbar und geballt ist?
Das mag sicherlich mit der direkten Nähe zum Hauptbahnhof zusammenhängen. Ich glaube, in fast jeder Stadt befindet sich die Drogenszene meist nahegelegen zum jeweiligen Hauptbahnhof.
Sicherlich sind die Spielhallen und Bordelle aber auch mit ein Grund dafür. Bordelle, Spielhallen und der Hauptbahnhof – das ist einfach eine Melange die Drogensüchtige anzieht.
Welchen Wandel hat die Drogenproblematik in der Vergangenheit im Bahnhofsviertel erlebt?
Zunächst hat sich die Situation zwischen 2014 und 2015 verschlechtert. Um den Jahreswechsel zwischen 2018 und 2019 hat es sich dann für eine Zeit lang deutlich verbessert. In dieser Zeit hat es die Polizei geschafft, tatsächliche Drogenschwerpunkte aufzulösen, da gab es viele Ermittlungserfolge. Trotzdem würde ich sagen, dass es sich in jüngster Zeit eher wieder verschlechtert hat.
Warum? Woran fehlt es?
Ich habe schon ganz früh gefordert, dass es ein „Crackareal“ geben müsste – einen spezifischen Raum zur Konsumierung von Crack, da das einfach inzwischen die verbreitetste Droge im Bahnhofsviertel ist, die außerdem die meisten Sorgen bereitet.
Zudem braucht es mehr Drogenhilfseinrichtungen, die auch nachts geöffnet haben. Es gibt das Nachtcafé, das eine Forderung von mir war und soweit auch gut angenommen wird, aber das reicht natürlich noch nicht aus.
Der Stadt fehlt es hier etwas an Mut, neue Wege einzuschlagen und letztlich auch mehr Geld in die Hand zu nehmen. Denn mehr Prävention und mehr Sicherheit kosten auch mehr Geld. Aber das muss es unserer Stadt einfach wert sein.
Die Stadt setzt eher auf die Maßnahme „Frankfurter Weg“ – Wie funktioniert dieses Modell und wie viel bringt es tatsächlich?
Der Frankfurter Weg ist ein Erfolgsmodell aus Frankfurt, beziehungsweise eine Haltung in der Drogenpolitik. Im Eigentlichen wird damit deutlich gemacht, dass man sowohl repressive als auch präventive Maßnahmen braucht. Es geht darum, diese beiden Pole in einen Ausgleich zu bringen und situationsbedingt anzupassen. Manchmal braucht es mehr Repression, beispielsweise durch Razzien und manchmal braucht es mehr Prävention, wie etwa durch die Ausweitung von Drogenhilfseinrichtungen.
Es gibt immer häufiger Kritik an diesem Modell, die ich aber nicht verstehe, da der Ansatz alle notwendigen Reaktionsmöglichkeiten beinhaltet.
Kommen wir zum Thema Immigration. Wie viel gibt es davon im Bahnhofsviertel und wie funktioniert die Integration?
Es gibt sehr viel davon. Die Zuwanderung gehört aber nicht zu den zentralen Herausforderungen im Bahnhofsviertel. Das Viertel war schon immer ein multikultureller Ort gewesen. Die Zuwanderungswelle um 2015-2016 war für viele andere Stadtteile sicher ein größeres Problem.
Was macht den wirtschaftlichen Schwerpunkt im Bahnhofsviertel aus?
Ganz klar die Hotellerie. Das Bahnhofsviertel hat die höchste Hoteldichte der Welt, es gibt ca. 50 Hotels, was extrem viel ist, wenn man bedenkt, wie klein das Bahnhofsviertel ist.
Weitere Schwerpunkte sind die Gastronomie, das Glücksspiel und, ja, auch die Prostitution.
Wie bezahlbar ist der Wohnraum im Bahnhofsviertel noch?
Das verschlechtert sich durchweg. Das Problem der Mietverdrängung ist oft auf der Tagesordnung des Ortbeirats. Es gibt sehr viele, die Angst haben, das Bahnhofsviertel verlassen zu müssen, weil sie es sich nicht mehr leisten können. Es gab im Viertel schon immer viel Austausch und Zuzug, weswegen das Thema auch gar nicht so oft in der Öffentlichkeit behandelt wird.
Was ist das größte Problem des Bahnhofsviertels?
Ganz klar die Drogenproblematik und damit verbunden auch die Sicherheits- und Sauberkeitsthemen. Das ist ein Gesamt-Komplex.
Und was ist der größte Gewinn?
Sicherlich die Vielfalt. Viele frische Ideen, „Out of the Box“ Denken, Unterhaltung, Kunst und Kreativität. Es ist ein Ort an dem viele Zukünfte entstehen. Es ist, auch weltweit, einzigartig auf so engstem Raum solch eine Vielfalt zu haben. Das ist sehr besonders.
Eine Zukunftsprognose. Wie wird es sich in fünf Jahren entwickeln?
Ich hoffe und wünsche mir, dass die Vielfalt erhalten bleibt, was bedeutet, dass die Mietverdrängung gestoppt werden muss.
Zudem muss die Spielhallendichte zurückgehen. Dieses Problem wird auch schon gegenwärtig angepackt. Die Spielhallen haben keine Zukunft im Bahnhofsviertel und das ist auch gut so, da diese oft auch als Austausch- und Übergabeort für Drogenkriminalität dienen.
Außerdem werden mehr dunkle Orte verschwinden, ich möchte, dass es mehr Licht im Bahnhofsviertel gibt, damit weniger Angsträume entstehen können.
Was ist ihr nächstes konkretes Ziel für das Bahnhofsviertel?
Mehr und bessere öffentliche Toiletten. Das ist ein Dauerbrenner und ein unerträglicher Zustand. Hier müssen endlich langfristige Lösungen her, aber auch hier müsste die Stadt einfach mehr Geld investieren.
©Bilder/ Oliver Strank/ Ann-Kathrin Weiss